Mittwoch, 4. Juli 2018

Die höhere Lebenserwartung von Frauen

Wenn man die Lebenserwartung heute lebender Menschen berechnet, so ist das immer eine Extrapolation: wie alt Menschen im Schnitt werden, kann man nur aus der durchschnittlichen Lebensdauer der bereits verstorbenen entnehmen, die man durch die heutige Sterblichkeit im frühen Alter korrigiert, durch die heutige Kindersterblichkeit, durch Herausrechnung der Zahlen der Kriegsopfer. Aber im großen und ganzen – und gerade wegen der viel geringeren heutigen Kindersterblichkeit und des Endes der Weltkriege – wird die Zahl weiterhin bestimmt von der Sterblichkeit im Alter jener Generationen, die heute zum größten Teil verstorben sind.
Die heute errechnete Lebenserwartung wird also weitgehend bestimmt durch die Lebensverhältnisse der Menschen, die vor den dreißiger Jahren geboren wurden.

In früheren Zeiten waren die Lebensbedingungen für den Großteil der Bevölkerung (der ja für die Statistik mehr ins Gewicht fällt als die wohlhabenderen Schichten) sehr hart, die Arbeitszeiten waren lang, die Arbeit war mühselig. Doch hatten Frauen einen Vorteil: die Arbeit der meisten Frauen, der Hausfrauen, war selbstbestimmt, während die Männer sich dem Arbeitgeber zu fügen hatten. Die Frauen beherrschten weitgehend das Leben der Familie. Bevor seit den sechziger Jahren das Geld mehr und mehr aufs Konto floß, war es normal, daß der Mann seiner Frau am Zahltag seine Lohntüte übergab und von ihr dann Taschengeld erhielt.
Aber:
(I.) Dieser Vorteil der Frauen wurde oft zunichte gemacht durch zwei Faktoren: Trunksucht und Gewalt.
a) Trunksucht (Alkoholismus kannte man damals noch nicht): das hieß, daß die Frau zittern mußte, wieviel Geld nach der ehemännlichen Sauftour am Zahltag noch übrig war.
b) Gewalt: im Durchschnitt sind Männer körperlich stärker als Frauen; und es gibt mehr körperlich aggresive Männer als derartige Frauen. Und Männer waren viel häufiger trunksüchtig als ihre Frauen; und mit Trunksucht war sehr oft Gewalt verbunden.
Aber:
(II.) Seit den zwanziger Jahren hatten sich die Lebensbedingungen zugunsten der Männer verändert: nun gab es für Arbeiter den Achtstundentag, der Hausfrauen keineswegs zuteil wurde; erst die Einführung moderner Haushaltsgeräte, vor allem von Waschmaschinen, brachte auch ihnen Erleichterung.

Für die höhere Lebenserwartung von Frauen müssen also andere Umstände verantwortlich sein.
Zwei kommen in den Sinn, wenn man die früheren Lebensverhältnisse bedenkt:
(1.) Das Taschengeld der Männer diente vor allem dem Rauchen. Damals rauchten die allermeisten Männer und die wenigsten Frauen. Das Rauchen ist (heute) die Ursache etwa jedes achten Todesfalls.
(2.) Bis weit in die sechziger Jahre trugen Männer meistens Oberhemden, noch keine Rollkragenpullover und erst recht keine T-Shirts. Bei Herrenoberhemden aber ist es seit jeher (und bis heute) selbstverständlich, daß der Kragenknopf viel zu eng sitzt. Männer mußten also entweder den obersetn Knopf des Hemdes immer offen lassen, waren dann also ständig erkältet, oder sie knöpften ihn dennoch zu, waren dann ständig in Luftnot.

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